Stichwort von Phettberg: „Generationen erblicken einander“
Trotz meiner Skepsis gegenüber Parteien, die keine Parteien sein wollen stand ich also nun das erste Mal seit ich wahlberechtigt bin vor dem Problem, darüber nachdenken zu müssen wen ich wähle. Eine kurze Zusammenfassung der Parteien die für mich nicht in Frage kommen:
FPÖ und ÖVP: Erkennen Menschenrechte und Genfer Flüchtlingskonvention nicht an und stehen als „christliche“ Parteien der Trennung von Staat und Kirche im Weg und passen deshalb nicht in das europäische Wertesystem. Es ist aber nie zu spät sich für einen Integrationskurs anzumelden!
SPÖ: Von den realistischen Bundeskanzleranwärtern ist mir Christian Kurz am liebsten. Programmatisch hängt die Partei in vielen Bereichen aber noch im 20. Jahrhundert fest – im Vergleich zu ÖVP und FPÖ sind das immerhin fast 100 Jahre Vorsprung, aber dennoch: Zeitgemäß ist das nicht. Dazu kommt die Tatsache, dass es in dieser Partei eine wachsende Anzahl von Funktionären bis hin zu einem Landeshauptmann gibt, bei denen das Schielen nach rechts nicht mehr nur wahltaktisch sondern immer mehr ideologisch ist. Den rechten Roten fällt ein Stein vom Herzen: endlich darf man rüberschwenken. Von der Angstmache, eine Stimme für eine kleinere Partei die einem programmatisch näher steht könnte verschwendet sein halte ich nichts. Immer wieder wird gepriesen: Jetzt, ausnahmsweise, liebe Linke die wir schon lange im Stich lassen, brauchen wir nur ein einziges Mal eure Stimme damit wir einen schwarzen Kanzler verhindern können. Nur um dann festzustellen dass ein schwarzer Vizekanzler genausoviel verhindern kann. Man sollte wählen, wem man nahesteht, von wem man sich vertreten fühlt – und sich nicht großartig nach Umfragen oder Taktik richten.
neos: Einige interessante Ansätze, für mich aber zu sehr Motivationscoaching-Veranstaltung und dann in vielen Bereichen doch wieder eher konservativ und vor Allem wirtschaftsliberal. Für Leute aus diesem Spektrum aber eine gute Alternative: ich würde mir die neos statt der ÖVP als politischen Gegner wünschen. Mit denen kann man reden, verhandeln und sicher auch in einigen Punkten zusammenfinden.
Spaßparteien wie Düringer oder irgendwelche Auffangbecken für verängstigte Stronach-Abgeordnete finden keinen Platz für mehr als einen Satz, sie stehen für nichts außer „Wir wollen Politiker werden indem wir unseren Stolz verkünden, keine Politiker zu sein“.
Aus all diesen Gründen war für mich bisher also klar, dass nur die Grünen in Frage kommen. Bis zum Grünen Bundeskongress 2017. Als Außenseiter kann ich nicht nachvollziehen was innerparteilich genau vorgegangen ist. Und wie schon in einer früheren Kolumne erwähnt finde ich es gut, dass bei den Grünen die Listenplätze demokratisch ermittelt werden und nicht autoritär von oben herab wie in anderen Parteien, in extremer Form vor Allem bei Kurz.
Was allerdings den Kongress dazu bewogen hat einen der wichtigsten Abgeordneten nicht nur der Grünen Bewegung sondern des gesamten Parlamentarismus der letzten Jahrzehnte einfach zu verstoßen verstehe ich bis jetzt nicht. Genau jenen Kandidaten der sich traut zugespitzt und prägnant Themen anzusprechen die auch außerhalb der Stammklientel Anklang finden, der aber nicht ein hohler Populist ist sondern sich durch harte, konkrete Arbeit im Parlament auszeichnet. Auf den jungen Bussi-Kandidaten der seinen Platz bekam wurde schon genug eingedroschen, der hat aber eigentlich nicht direkt damit zu tun. Nachwuchs pushen kann sich auszahlen, sei er auch noch so inhaltslos – siehe Kurz – aber das wäre auch auf einem anderen Listenplatz möglich gewesen.
Man hört eindeutig heraus dass Peter Pilz der Abgeordnete ist, dessen Arbeit mich seit meiner Jugend am meisten interessiert und begeistert. Und dennoch: zuerst hatte ich einen eindeutigen Reflex mich darüber zu ärgern dass die Grünen zersplittert werden – das ist das Letzte was das Parteienspektrum in seiner jetzigen Situation braucht. Und im Gegensatz zu vielen Anderen bin ich auch nicht vollends frustriert über die Grünen. Es stimmt vieles, was über sie gesagt wird, vor Allem die Tatsache dass es wohl schwierig ist, sich marketingtechnisch mehr ins Knie zu schießen als die Grünen im letzten Jahr. Aber der ewige Vorwurf sie würden keine anderen Themen ansprechen als Fußgängerzonen in Neubau und Kuschelwiesen auf Plakaten gilt meiner Meinung nach nicht: Bei dieser Analyse wird nur in Betracht gezogen was medial multipliziert wird – und ein Streit mit der Jugend verkauft sich halt besser als politische Programme – diese kann man übrigens auch auf der jeweiligen Homepage einer Partei nachlesen, im Standard oder auf facebook wird man sie nicht finden.
Ich war also hin- und hergerissen. Bis zu dem Tag, an dem Peter Pilz ein paar seiner Mitstreiter und Kandidaten präsentiert hat. Darunter auch Hannes Werthner, Rektor der TU Wien, der bekanntgab sich dafür einzusetzen dass die Politik auch über das Thema Digitalisierung und Automatisierung von Arbeitswelt und Gesellschaft nachdenkt. Damit war für mich jenes Alleinstellungsmerkmal der Liste Pilz geschaffen, das mich überzeugt hat zum ersten Mal bei einer Parlamentswahl nicht grün zu wählen. Bisher gibt es keine andere Partei die dieses heikle Thema anspricht. Dabei ist es nicht nur wirtschaftlich von größter Relevanz, sondern auch ethisch: Wir sollten nicht warten bis die Technologie die Fakten geschaffen hat mit der Auseinandersetzung darüber, wie wir uns mit Gesetzen und Budgets auf die damit verbundenen Herausforderungen vorbereiten können.
Seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre beschäftigt mich dieses Thema, im jugendlichen Überschwang noch uneingeschränkter Anhänger des selbsternannten Techno-Propheten Ray Kurzweil – mittlerweile als skeptischer Beobachter der Entstehung von Technologie-Konzernen die mehr Macht anhäufen als so manche Nation. Die vierte industrielle Revolution wird kein Science-Fiction-Schlaraffenland – sie kann durch eiskalte Optimierung auf maximale Gewinne zu einer Hölle werden und die Demokratie gefährden. Außer man überlegt sich Rezepte. Noch kein Mensch kann behaupten, diese Rezepte bereits vollständig ausgearbeitet zu haben. Vielleicht hilft das Bedinungslose Grundeinkommen. Vielleicht etwas völlig anderes. Aber wenn wir uns nicht mit dem Thema befassen wird uns das 21. Jahrhundert auf dem falschen Fuß erwischen. Deshalb hat die Liste Pilz bei dieser Wahl meine Stimme. Und ich werde mich auch darüber hinaus in dieser Bewegung engagieren um diesem meinem Herzensthema noch mehr Präsenz zu verleihen. Ich werde darüber berichten wie es läuft.